Rote Karte für Internethass
Deutschland verlor in dem Achtelfinale der Fußball EM 2021 0:2 gegen England und schied somit aus der EM aus. Emotional davon getroffen fängt ein kleines Mädchen unter den Deutschlandfans im Stadion an zu weinen. Ein herzzerreißender Anblick, welcher live im Stadion und in der ganzen Welt verbreitet wurde. Die Ausmaße dieser Übertragung konnten damals noch nicht geahnt werden.
Das Bild ging um die Welt und schon bald machten sich einige englische Fans voller Schadenfreude über das traurige Mädchen her. Auf Twitter wurde sich über sie lustig gemacht. Man solle kein Mitleid mit ihr haben und sie wurde als „Schlampe“ und „Nazi“ beschimpft. Diese Reaktionen sorgten für Empörung und das zurecht.
Leider ist so ein Verhalten im Internet kein Einzelfall. Immer wieder trifft man auf User, die sich unantastbar fühlen auf Grund der herrschenden Anonymität im Netz. Und das führt zu Gemeinheiten, Mobbing und Hass. Es fehlt die Hemmung, die durch eine vier Augen Unterhaltung im realen Leben normalerweise entsteht und die Resonanz des Betroffenen, wodurch das Hetzen im Internet einfacher fällt.
Aber nicht nur die Anonymität bekräftigt Hater in ihren Überzeugungen, sondern auch sogenannte Filterblasen oder Echochambers. Im Internet bilden sich Gruppen, die einer Meinung sind, da der Algorithmus dies als profitabel anerkennt. So fühlen sich Individuen in ihrer Sichtweise und in ihren Taten bestätigt. Dadurch kommt es auch zu Hasskommentaren aus purer Überzeugung, weil man keine Gegenmeinungen mehr mitbekommt.
Zudem sollte Bösartigkeit nicht unterschätzt werden. Grundlose Trollkommentare mögen für die Absender spaßig erscheinen, aber verletzten oft die Betroffenen.
Vor allem berühmte Personen haben mit Hasskommentaren zu kämpfen. In den schlimmsten Fällen sind es Morddrohungen, aber schon die kleinsten Anmerkungen können über längere Zeit seelisch verletzen. Egal aus welchem Grund eine Hassnachricht geschrieben oder wie insignifikant sie erscheint, solch ein Verhalten ist nicht in Ordnung.
Es ist wichtig, dass einem immer bewusst ist, dass eine Person auf der anderen Seite des Bildschirms sitzt. All die Kommentare, die aus Spaß oder aus niederen Beweggründen gesendet werden, treffen immer eine reale Person. Egal ob es eine berühmte Sängerin, ein Politiker, ein YouTuber, ein Zeitungsreporter oder vielleicht auch einfach nur ein Mitglied eines öffentlichen Chats ist. Niemand verdient es angegriffen zu werden.
Außerdem verbaut man sich dadurch Möglichkeiten neue Freunde zu finden. Wer das Netz nur nutzt um zu hetzen und Hass zu verbreiten, der wird nicht die schönen Seiten des Internets sehen. Das Netz bietet unglaublich viele Möglichkeiten, um neue Freundschaften zu schließen und sich über persönliche Interessen auszutauschen. Man kann Personen von überall auf der Welt kennenlernen und mit ihnen über Jahre in Kontakt bleiben, da das Austauschmedium nie verschwindet.
Auch um Aufmerksamkeit von zum Beispiel dem Lieblingsstreamer zu bekommen, sind Troll- und Hasskommentare kontraproduktiv. Das Einzige, was man damit erreicht ist, dass diese verletzt werden und man selbst gebannt wird und nie mehr mit ihnen interagieren kann. Wäre es nicht besser, wenn man mit freudiger Wiedererkennung begrüßt wird? Wenn man durch Partizipation in neue Freundeskreise aufgenommen wird?
Hass sticht zwar aus der Menge heraus und bleibt im Gedächtnis, aber genauso gut und auch noch viel besser erinnert man sich an Freunde. Jede Aktion hat Konsequenzen und das gilt auch für das Internet, trotz überwiegender Anonymität. Denn die Betroffenen tragen den Schmerz mit sich. Es ist auch leider nichts Neues das Cybermobbing und ähnliche Hassnachrichten im Internet schon Opfer in Depressionen getrieben haben.
Es liegt an uns zu entscheiden wie wir im Internet handeln und wie wir es formen. Das Netz ist eine Oberfläche für alle User und wir zusammen bestimmen, ob es voller Hass und Hetze oder ein Ort neuer Freundschaften und Großzügigkeit ist.
Im Falle des kleinen Fußballfans wurde dem Hass Freundlichkeit entgegen gesetzt. Fassungslose Engländer starteten eine Fundraising-Aktion mit dem Ziel 500 Pfund zu sammeln, um die nächste Reise des kleinen Mädchens und ihrer Familie zu einem Spiel der deutschen Nationalmannschaft zu finanzieren. „Wir wollen zeigen, dass nicht jeder Mensch in Großbritannien schrecklich ist.“, so hieß die Beschreibung der Aktion. Und es war ein voller Erfolg! Mehr als 42000 Euro kamen letztlich zusammen.
Der Fall des weinenden Mädchens zeigt die Vielseitigkeit des Internets. Es gibt sowohl Gutes als auch Schlechtes und es liegt an uns zu entscheiden, welche Seite wir mit unseren Taten stärken wollen.
Text: Anja V., Bild: ShubN von Pixabay