Pandemie plagt Politik

,,Chaotisch trifft es am besten“– so Helge Gülzau, ein junger Sachbearbeiter für Programmatik und Gremienbetreuung in der FDP, über seinen Alltag während der Corona-Pandemie. Hier erfahren Sie mehr!

Zunächst würde ich gerne eine persönliche Frage stellen: Wie hast du diese Zeit bis jetzt seelisch wahrgenommen?

Durch diese Pandemie bin ich nicht mehr so produktiv wie vorher. Anfangs dachte ich, dass ich endlich Zeit dazu hätte, aufgeschobene Erledigungen abzuarbeiten. Jedoch hatte ich vor allem während des Lockdowns gemerkt, dass das nicht so einfach ging, da alles runtergefahren war. Das hat man auch in der politischen Arbeit gemerkt, denn viele wichtige Punkte, die auf der Liste standen, konnten wir nicht angehen, da man sich auch nicht so einfach versammeln konnte.

Seelisch habe ich mich zwar nicht einsam gefühlt, aber einem fällt die Decke schon auf den Kopf. Ich fand es von Anfang an schwierig und nervig.

Das ist auch nachvollziehbar, zumal das Versammeln ein relevanter Bestandteil der Politik ist. Wurden in dieser Hinsicht Veranstaltungen organisiert? Wenn ja, wie?

Wir hatten für den April 2020 eigentlich unseren Landesparteitag geplant. Durch die jetzige Situation wurde der stark gekürzt auf den Oktober gelegt. Die Gästezahl haben wir sehr eingeschränkt. Wir haben unseren Landesvorstand gewählt, weil wir satzungsmäßig dazu gezwungen waren, was aber ein reines Chaos gewesen ist.

Der Parteitag, den wir vor zwei Wochen hatten, war ein ganz an-derer als sonst. Sonst ist das auch immer ein Social-Networking-Event. Diesmal haben wir Abstände einhalten müssen, alle mit Maske, überall sind Desinfektionsspender gewesen und man hatte einen zugewiesenen Sitzplatz, den man nicht verlassen durfte. Da war also nichts mit großartiger Interaktion. Ansonsten sind viele Veranstaltungen tatsächlich ausgefallen bzw. in den digitalen Raum verlegt worden.

Das ist sehr schade, aber immerhin konnte der Landesparteitag stattfinden. Gab es in letzter Zeit durch Corona eingetretene Änderungen in der Positionierung deiner Partei in gewissen Themenbereichen?

Ich glaube, diese Pandemie betrifft Felder, die für die FDP schon immer zentral waren. Bildung, Digitalisierung, Wirtschaft und Bürgerrechte, das sind im Grunde die vier Kernthemen, für die die FDP und die Liberalen eigentlich bekannt sind. Starke Veränderungen nach Positionierung gab es da nicht.

Gab es trotz der unveränderten Positionierung einen Abfall an Unterstützern der FDP? Wenn ja, wie seid ihr damit umgegangen?

Ja, es gab einen gewissen Abfall ich glaub, es verrechnet sich tatsächlich mit dem, was wir an Eintritten haben. Bei den Austritten waren die Begründungen interessant zu beobachten. Die einen sind ausgetreten, weil sie meinten, wir seien zu unkritisch der Regierung gegenüber und die Corona-Maßnahmen seien zu hart. Die anderen sind ausgetreten, weil wir die Regierung zu sehr kritisieren würden und Corona zu gefährlich wäre.

Als Partei ist es schwierig, damit umzugehen, da man nicht weiß, in welche Richtung unsere Mitglieder gehen wollen. Irgendwie kann man es niemandem recht machen.

Daher ist es wichtig Kompromisse einzugehen, welche sowohl die Interessenvielfalt der Politiker als auch die der Bürger deckt. Gab es direkte Auswirkungen auf dich und deinem Arbeitsumfeld, bezüglich der schwierigen wirtschaftlichen Lage Deutschlands?

Das hat sich nicht direkt bemerkbar gemacht bei uns. Wovon ich als Mitarbeiter finanziert werde, sind einerseits Mitgliedsbeiträge und andererseits staatliche Förderungsmittel, die von unseren Wahlergebnissen abhängen. Da wir noch in den Parlamenten vertreten sind als FDP, habe ich weiterhin meinen Lohn bekommen. Es wurden keine von meinen Kollegen entlassen. Das ist der Vorteil, wenn man nicht in der freien Wirtschaft ist.

Alles in allem, wie würdest du dein Leben und deinen Alltag abschließend beschreiben?

Chaotisch.

Es läuft nicht so, wie man es kennt. Es ist alles ein bisschen improvisiert und sehr gewöhnungsbedürftig. Chaotisch trifft es, denke ich, am besten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Sehr gern.

Zur Person:

Helge Gülzau ist ein 24-jähriger Absolvent des Studienganges ,,Politikwissenschaften“ an der Universität Osnabrück. Seit 2015 ist er ein ehrenamtlich engagiertes Mitglied der Jungen Liberalen (e.V.). Zudem ist er seit 2017 Mitglied der FDP.

Von August bis Oktober 2017 absolvierte er während des Bundestagwahlkampfes 2017 ein Praktikum in der Bundesgeschäftsstelle der Jungen Liberalen (e.V.) in Berlin. Seit Oktober 2018 ist er als studentischer Mitarbeiter und Sachbearbeiter für Programmatik und Gremienbetreuung in der Landesgeschäftsstelle der FDP, in Hannover, tätig. Dort führt er die Buchhaltung, die Antrags- und Beschlusspflege, die Organisation von Veranstaltungen und die Zuarbeitung des Landesvorstandes.

Text: Jiyan Kabak; Bild1: Pixabay; Bild2: Jiyan Kabak ; Interview geführt am: 17.10.2020