Geschlechterstereotype – Wie beeinflussen sie die Hierarchie in der Arbeitswelt?
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Das steht so in Artikel 3, Absatz 3 des deutschen Grundgesetzes geschrieben und stellt somit einen wichtigen Grundsatz für unsere Gesellschaft dar. Trotzdem beträgt der bereinigte Gender Pay Gap, also der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen unter Einbezug struktureller Faktoren, wie Bildungsstand oder Beschäftigungsumfang, 2022 7%. Der unbereinigte Gender Pay Gap sogar 18%. Als einen Grund für diese Lohnlücke wird häufig genannt, dass Frauen nicht so oft in Führungspositionen arbeiten und deshalb weniger verdienen. Was als Begründung dienen soll, stellt jedoch ein ganz eigenes Problem dar, dessen sich viele überhaupt nicht bewusst sind.
2021 waren ca. 29% der deutschen Führungskräfte weiblich, womit Deutschland im EU-Ranking nur auf Platz 20 von 27 landet. Ein Problem besteht darin, dass Personalentscheidungen wie das Einstellen oder Befördern von Angestellten meist von Männern getroffen werden. Leider ist auch heute noch der Glaube weit verbreitet, Frauen hätten grundsätzlich kein (großes) Interesse an Führungspositionen und, dass man ihnen bspw. auf Grund von eventuellen Schwangerschaften besser keine zu wichtigen Aufgaben übertragen sollte. Da die „Chefetagen“ deutscher Unternehmen meist männlich dominiert sind, beraten und entscheiden letztendlich Männer, ob Frauen überhaupt an Führungspositionen interessiert und ob sie für diese geeignet sind.
Es bestünde kein Problem, wenn die männlichen Führungskräfte nur nach dem Potenzial, der Erfahrung etc. eines/einer Anwärter:in entscheiden würden und sich nicht von Vorurteilen fehlleiten ließen. Allerdings sind tief verankerte Vorurteile und deren Wirkungen verbreiteter, als man zuerst denken mag.
Das „Think-manager-think-male-Phänomen“ ist eine spezifische Form der impliziten Führungstheorie, die besagt, dass Untergebene bestimmte Qualitäten, Eigenschaften und Verhaltensweisen mit Führungskräften assoziieren. Diese Erwartungen basieren auf Erfahrungen und Konditionierung der Untergebenen. Das Think-manager-think-male-Phänomen basiert auf geschlechterspezifischen Erwartungen, wobei die Qualitäten einer Führungskraft grundsätzlich als männlich eingestuft und somit Männer als prädestiniert für Managementaufgaben angesehen werden. Dies hat insbesondere negative Auswirkungen auf Frauen, wenn man die Rollenkongruenztheorie und den Backlash-Effekt mit einbezieht. Gemäß der Rollenkongruenztheorie führt eine Inkongruenz zwischen Rollenstereotypen und Rolleninhaber:innen zu einer Abwertung des/der Rolleninhaber:in. Wenn Frauen stereotypisch weibliche Eigenschaften besitzen, gelten sie zwar als authentisch und sympathisch, aber als ungeeignet für Führungspositionen, was ihre Auswahl für diese nahezu ausschließt.
Wenn eine Frau andererseits die Kriterien einer kompetenten Führungskraft erfüllt, wird sie nicht den Erwartungen an eine authentische Frau gerecht und wird deshalb von ihren Untergebenen nicht akzeptiert oder respektiert. Insgesamt hat das Think-manager-think-male-Phänomen somit erhebliche Auswirkungen auf die Karrieremöglichkeiten von Frauen in Führungspositionen.
Frauen in Führungspositionen werden, unabhängig von ihrer Eignung, oft als unpassend betrachtet und es wird geradezu erwartet, dass sie in dieser Rolle scheitern werden. Der US-amerikanische Soziologe Samuel Heilman bezeichnet dieses Phänomen als „lack-of-fit-Modell“. Frauen werden durch die fehlende Akzeptanz für ihren Erfolg, falls sie ihn erreichen können, letztendlich „bestraft“.
Das Psychologie-Lexikon „Dorsch“ definiert den sogenannten Backlash-Effekt wie folgt: „soziale und ökonomische Sanktionen für genderinkonsistentes Verhalten (insbesondere bei Frauen). Backlash kann auftreten, wenn präskriptive Geschlechterstereotype verletzt werden und damit die ‚passende‘ Geschlechterrolle in Frage gestellt wird.“ Frauen, die sich erfolgreich in einer Führungsrolle behaupten, werden oft mit einem Backlash konfrontiert, der in Form von Vorurteilen, Diskriminierung und fehlender Unterstützung auftreten kann.
Insgesamt haben Frauen in Führungspositionen mit einer Vielzahl von Herausforderungen zu kämpfen. Diese Phänomene beeinflussen ihre Karrieremöglichkeiten und ihre Fähigkeit, in Führungspositionen erfolgreich zu sein. Es ist wichtig, sich dieser Problematik bewusst zu sein und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Chancengleichheit und die Akzeptanz von Frauen in Führungspositionen zu fördern.