Boostern statt Beistand

Überfüllte Arztpraxen und ausgelastete Terminkalender – Deutschland ist wieder oder besser gesagt immer noch im Impffieber. Derzeit holen viele Deutsche sich eine Booster-Impfung, um ihren Schutz vor dem Corona Virus auffrischen zu lassen. Eigentlich ist der Großteil der Bevölkerung nämlich schon geimpft, rund 73% des Volkes haben beide Dosen bereits erhalten (Stand 17.01.22). Ein Trend, der sich auch europaweit feststellen lässt. 

Abseits der westlichen Länder sieht die Situation jedoch ganz anders aus. Während wir uns Gedanken darüber machen, dass unser Modernaimpfstoff verfällt, geht Afrika leer aus. Dort verzeichnet man eine stagnierende Impfquote für den gesamten Kontinent von gerade einmal 9 % (Stand Dezember 2021), eine unvergleichbar niedrige Zahl zu unseren über 70%. Es lässt sich also schnell feststellen, dass Deutschland Entwicklungs- und Schwellenländer zu wenig dabei unterstützt, die Bevölkerung durchzuimpfen, stattdessen blickt die Politik nur auf die Booster-Impfungen im eigenen Land. 

Grundlegend hat sich die Pandemiesituation in Deutschland zunehmend stabilisiert. Auch wenn man aktuell eher ansteigende Zahlen verzeichnet, darf man nicht vergessen, dass wir einer Herdenimmunität im Vergleich zu ärmeren Entwicklungsländern schon ziemlich nahe sind und stetig näher kommen. Unsere luxuriösen Lebensbedingungen erlauben uns zudem, Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten, die uns vor der Verbreitung von Covid bewahren. Sollte es zu Ausnahmezuständen kommen und die Infektionszahlen gen Himmel schießen, steht es Deutschland offen, in einen Lockdown zu gehen. Zwar mag das der Wirtschaft nicht zugutekommen, aber es wäre in unserem Land mit den aktuellen räumlichen, strukturellen und finanziellen Kapazitäten möglich. Im Gegensatz dazu herrschen in den afrikanischen Ländern prekäre Lebensverhältnisse. In Nairobi, der Hauptstadt Kenias, lebt rund 60% der Bevölkerung in Slums. Kleine Häuser, viele Menschen wohnen dicht auf dicht. Sogar im normalen Alltag reicht der Platz nicht aus. Wie soll da eine zehnköpfige Familie in einen Lockdown gehen? In Slums stehen eng nebeneinander unzählige Hütten. Wie soll eine ganze Stadt Abstand voneinander halten und sich nicht näher als einen Meter fünfzig kommen? 

Des Weiteren mangelt es ärmeren Entwicklungsländern an Geld, um an Impfstoff zu gelangen. Produzieren können sie ihn aber auch nicht selbst. Dazu gibt es zum einen die notwendigen Produktionsstätten gar nicht. Vor allem aber geben die Pharmakonzerne die Patente auf die Impfstoffe nicht frei. Und selbst wenn der Impfstoff dann in diese Länder gelangt, ist es aufgrund des schlecht ausgebauten Gesundheitssystems unglaublich schwer, das Vakzin unter die Bevölkerung zu bringen und zu verimpfen. Es liegt also in unserer Verantwortung als relativ wohlhabendes Land, ärmeren Ländern zu helfen. Unser Egoismus bezüglich des Impfstoffes mag uns zwar erst einmal schützen, aber wenn das Virus weiterhin in Afrika und anderen Teilen der Welt wütet und mit der Zeit zu uns zurückkehrt, bringt er uns langfristig nichts. Nur wenn die ganze Welt mitmacht, kann das Virus endgültig besiegt werden. Das heißt, wir ziehen auch einen enormen Gewinn aus unserer Solidarität.

Was also tun? Den gesamten Impfstoff nach Afrika zu schicken, scheint nicht die Lösung des Problems zu sein. Deutschland muss auf sich fokussiert bleiben, zeitgleich aber auch seine Sichtweise auf Afrika ausweiten. An Impfstoff mangelt es mittlerweile nicht mehr. Wenn wir also unsere finanziellen Mittel mit anderen europäischen Ländern zusammenlegen würden, könnte man gemeinsame Impf-Teams nach Afrika schicken. Ein erster Ansatz ist die internationale UN-Covax Initiative, das Impfstoffprogramm der Vereinten Nationen, das Entwicklungsländer kostenfrei mit Impfstoff versorgt. Auch Deutschland ist hieran beteiligt. Um eine flächendeckende Impfung zu gewährleisten, müssen aber noch zahlreiche weitere Programme ins Leben gerufen werden. Erst dann ist es möglich, die afrikanischen Impfquoten zu steigern und langfristig eine weltweite Herdenimmunität zu gewährleisten.

Text: Julia H, Bild: pixarbay