Verlieren wir die Zukunft der Feuerwehren?
Jeder kennt doch die Feuerwehr. Große rote Autos, Blaulicht auf dem Dach und sie kommen, wenn jemand Hilfe braucht. Jedoch fangen auch große Retter mal klein an, nämlich in der Jugendfeuerwehr.
Hast du schon einmal etwas von der Jugendfeuerwehr gehört? Um zu erfahren, wie die Jugendarbeit der Feuerwehren aussieht und wie die aktuelle Corona-Pandemie Einfluss auf sie nimmt, habe ich mich mit Benjamin Bode (Jugendfeuerwehrwart der Jugendfeuerwehr Itzum und Stadtjugendfeuerwehrwart in Hildesheim) unterhalten.
Welche Rolle spielen Sie in der Jugendfeuerwehr in der Stadt Hildesheim und welche Aufgaben sind damit verbunden?
Ich bin zum einen Jugendfeuerwehrwart der Jugendfeuerwehr Itzum und zum anderen der Stadtjugendfeuerwehrwart der Stadt Hildesheim. Beim ersten bin ich für die Jugendarbeit in der eigenen Ortsfeuerwehr zuständig. Auch soziales Engagement und Umweltbewusstsein stehen mit auf der Tagesordnung. So haben wir vor, ich meine, drei Jahren inzwischen eine 300 km-lange Fahrrad-Tour, bei der wir Spenden gesammelt haben, durchgeführt. Diese hat uns durch vier verschiedene Landkreise geführt und Zeltlager auf vier verschiedenen Plätzen beschert. Auch beteiligen wir uns zum Beispiel am jährlichen Hildesheimer Frühjahrsputz mit zahlreichen Helfern, um für ein sauberes Stadtbild zu sorgen. Diese ganzen Tätigkeiten müssen geplant und auch durchkalkuliert werden. Bei meinem zweiten Job liegt meine Verantwortlichkeit darin, alle Kinder- und Jugendfeuerwehren der Stadt Hildesheim zu betreuen. Hier wollen zehn Kinder- und elf Jugendfeuerwehren mit insgesamt ca. 300 Mitgliedern unter einen Hut gebracht werden. Außerdem bin ich ein Berater und Organisator für die Jugendfeuerwehren der einzelnen Stadtteile.
Das klingt nach viel Arbeit. Inwiefern beeinflusst die aktuelle Corona-Situation Ihre Tätigkeiten?
Unser Dienstbetrieb ist normalerweise eine Präsenzveranstaltung. Gerade feuerwehrtechnische Ausbildung hat etwas mit Anfassen und körperlicher Tätigkeit zu tun. Da gerade bei den Kinder- und Jugendfeuerwehren durch ihre Zugehörigkeit zu den Freiwilligen Feuerwehren stärkere Regeln wie bei anderen Jugendverbänden oder -organisationen gelten, musste hier ein deutlich höherer Aufwand betrieben werden, um wieder Dienstbetrieb zu ermöglichen. Auf Ortsebene musste dieses dann umgesetzt werden. Aktuell ist kein Präsenz-Dienst erlaubt, daher wird in allen Bereichen auf Online-Verfahren umgestellt. Dieses ist relatives Neuland für die meisten Kinder- und Jugendfeuerwehren. Völlig neue Wege (beim Wahlverfahren) mit deutlich mehr Aufwand, der aber nötig ist, um die Kreisjugendfeuerwehr handlungsfähig zu halten. Aber das ist auch nur ein Beispiel von vielen.
Warum gelten für Kinder- und Jugendfeuerwehren stärkere Regeln und warum wird dieser Aufwand betrieben und nicht einfach Pause gemacht, wenn doch alles so kompliziert ist?
Die Kinder- und Jugendfeuerwehren gehören wie gesagt zu den Freiwilligen Feuerwehren als einzelne Abteilungen. Für die Feuerwehren gibt es besondere Regeln und Gesetze durch ihre Zugehörigkeit zum Brand- und Katastrophenschutz. So gibt es z.B extra für uns das Niedersächsische Brandschutzgesetz. Innerhalb der Corona-Bedingungen für die Feuerwehren ist das oberste Gebot das Aufrechterhalten der Einsatzbereitschaft der Feuerwehren. Stell dir einfach mal die Situation vor, eine Feuerwehr muss unter Quarantäne und keiner fährt zum Einsatz. Bei dir brennt es und du brauchst die Feuerwehr und jetzt wird dir beim Notruf gesagt, dass es etwas länger dauern könnte, da deine Feuerwehr vor Ort unter Quarantäne ist. Aber auf der anderen Seite sind die Kinder- und Jugendfeuerwehren ein wichtiger Bestandteil der Nachwuchsgewinnung für die Feuerwehren, wenn nicht sogar der wichtigste. Daher wird der teils enorme Aufwand betrieben, die Kinder und Jugendlichen im Homeoffice zu beschäftigen, weiter zu interessieren und zu begeistern und sie damit den Kinder- und Jugendfeuerwehren hoffentlich als Mitglied zu erhalten.
Das klingt einleuchtend. Was waren denn Ihre ersten Gedanken, als der Dienst untersagt wurde?
Zum einen war ich schon etwas enttäuscht, dass die üblichen Dienste und Veranstaltungen nicht mehr stattfinden und auf unbekannte Zeit auch kein reales Treffen mit den Kids möglich ist, zum anderen spürte ich aber auch eine gewisse Erleichterung. Erleichterung darüber, dass mir das Umsetzen der teils sehr aufwendigen Verfahrensweise zum Schutz erspart blieben, aber insbesondere darüber, dass es durch abgesagte Präsenzdienste gar nicht zu Infektionen während der Kinder- und Jugendarbeit in unseren Häusern kommen kann.
Wie empfinden Sie die aktuelle Zeit ohne Treffen und Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen?
Ich bin jetzt 35 Jahre alt und mache bereits seit über 17 Jahren Kinder- und Jugendarbeit bei der Feuerwehr. Persönlich fehlt mir der Kontakt zu den Kids. Ich habe im Laufe der Zeit viele der jungen Kameraden und Kameradinnen liebgewonnen und die regelmäßige Begegnung fehlt mir schon in meiner Woche. Aber auch unsere Ausflüge, Zeltlager und andere Veranstaltungen haben in den letzten beiden Jahrzehnten eine feste Rolle in meinem Leben gehabt. Teilweise weiß ich akuell gar nicht, was ich mit meiner vielen Freizeit anstellen soll.
Sind die Jugendfeuerwehren in Zukunft besser auf solche Ereignisse vorbereitet?
Ich hoffe doch sehr, dass wir solche Ereignisse nicht noch einmal durchlaufen müssen! Aber in der Tat stehen jetzt gewisse Konzepte zur Verfügung, die bei einer gleich gearteten Lage wieder aus der Schublade hervorgeholt werden könnten. Mit Sicherheit wird es Änderungen geben müssen, aber das Grundgerüst steht bereits. Bei den Kinder- und Jugendfeuerwehrwarten hat ein gewisses Umdenken stattgefunden. Auch hier könnte also im schlimmsten Fall wieder die Kiste „Dienstgestaltung in Pandemie-Zeiten“ hervorgekramt werden.
Gibt es denn schon eine Prognose, wie sich Corona auf die Mitgliederzahlen auswirkt?
Es ist schwer jetzt schon Einschätzung abzugeben, ohne zu wissen, wie lange die Umstände noch andauern werden. Befürchtungen sind eben, nicht nur meine, sondern auch von vielen anderen, dass Mitglieder das Interesse verlieren und nicht wieder zu begeistern sind. Dieses wird sich aber wohl erst wirklich zeigen, wenn es wieder richtig los geht und die Kinder- und Jugendlichen eventuell ausbleiben. Derzeit gibt es keine großen Mengen an Austrittserklärungen, teils sogar eher das Gegenteil und es lassen sich neue Mitglieder gewinnen. Letztendlich werden wir erst am Ende der Pandemie und den Einschränkungen Resümee ziehen können und sehen, welche Folgen es für uns haben wird. Aktuell können wir nur versuchen ein interessantes und vielfältiges Angebot zu bieten, um Mitglieder zu halten.
Was sind Ihre Wünsche bzw. Hoffnungen für die nächste Zeit?
Ich wünsche mir, dass wir alle gesund durch diese schwere Zeit kommen werden und ich hoffe, dass die Wissenschaft bald soweit Fortschritte gemacht hat, dass wir wieder halbwegs in ein normales Leben zurückfinden werden. Dazu gehört dann auch, dass wieder einem normalen Dienstbetrieb folgen können.
Zur Person: Benjamin Bode ist 35 Jahre alt und betreibt bereits seit über 17 Jahren Kinder- und Jugendarbeit bei der Feuerwehr. Aktuell ist er zum einen Jugendfeuerwehrwart der Jugendfeuerwehr Itzum und zum anderen der Stadtjugendfeuerwehrwart der Stadt Hildesheim. Diese Arbeit bringt verschiedenste Aufgaben mit sich.
Text: kklietsch, Bild: JFW Benjamin Bode / Jugendfeuerwehr Itzum, Interview geführt am 16.12.2020