KI statt Journalisten?

New York, 2033. Helle Sonnenstrahlen durchbrechen die verglaste Front eines Towers und erleuchten den geräumigen Saal der „New York Times“. Durch das Glas gebrochenes Licht tanzt auf dem edlen Marmorboden. Entlang der vier Glaswände befinden sich hochmoderne Bildschirme und neueste Geräte. Die Bilder auf den Monitoren ändern sich wie fremdgesteuert. Ein mechanisches Sirren erfüllt die aufgewärmte Luft, als ein Roboter nahezu lautlos vorbeirollt. Weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Es scheint, als führe die Technik ein Eigenleben. Plötzlich dringt Lärm in den 12. Stock des Hochhauses und legt sich über die gespenstische Stille. Auf den Straßen von New York unterhalb des Gebäudes herrscht Chaos. Ein Auflauf von Demonstranten blockiert den Straßenverkehr, Autos hupen wie wild. Schilder mit der Aufschrift „Lügenpresse“ strecken sich aus der Menge in Richtung des sattblauen Himmels.

Ist diese Utopie vielleicht schon bald Realität? Die Künstliche Intelligenz, kurz KI, entwickelt sich stetig weiter. Man begegnet ihr beinahe überall – so auch im Journalismus. Spezielle Software ist mittlerweile dazu in der Lage, anhand weniger Schlagwörter journalistische Texte zu erstellen. Was passiert also, wenn in der Zukunft nicht mehr Journalisten*, sondern künstliche Intelligenz die Medienwelt dominiert?

Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz im journalistischen Bereich sicherlich ein Gewinn. Artikel wären in Windeseile geschrieben und könnten innerhalb kürzester Zeit die Runde machen. Es bräuchte kein stundenlanges Ausformulieren der Recherche-Ergebnisse mehr: Chat-GPT erledigt diese Aufgabe innerhalb von Sekunden. Dies bringt jedoch Gefahren mit sich. Medienportale und Zeitungen wie Bild und Co., welche den Fokus eher auf Profit und Quantität statt auf Qualität legen, wären dazu in der Lage, die bereits hohe Anzahl ihrer Auflagen noch weiter ins Surreale zu steigern. Außerdem würden zahlreiche Journalisten ihren Job aufgeben müssen, da ihre Fähigkeit des Schreibens weniger gefragt wäre.

Allerdings ist die KI den professionellen und seriösen Journalisten nicht in allen Dingen voraus. Moralische Maßstäbe existieren nur dort, wo auch ein eigener und empathischer Verstand vorhanden ist. Diese Maßstäbe haben im seriösen Journalismus einen hohen Stellenwert – denn ohne sie gäbe es beispielsweise keinen Schutz der Personen, über die berichtet wird. Die Künstliche Intelligenz jedoch verfügt über kein Wissen, welche Dinge ethisch korrekt oder falsch sein könnten und bräuchte eine konstante Überwachung.

Wären journalistische KI-Texte vielleicht sogar dazu in der Lage, die Gesellschaft zu spalten? Eine Nachforschung von „Statista“ im Jahr 2022 ergab, dass nur 67% aller Befragten der ARD-Tagesschau vertrauen. Dies liegt unter anderem daran, dass die Gesellschaft insgesamt zu wenig zwischen seriösem und unseriösem Journalismus unterscheidet. Zu häufig wird auf „die Presse“ geschimpft und zu selten zwischen den einzelnen Journalismusportalen differenziert. Wie sieht es dann erst aus, wenn nicht mehr Menschen, sondern Roboter für die weltweite Medienschaffung verantwortlich sind? Da es keine Gesichter mehr hinter den Texten gäbe, wäre es noch einfacher, unangenehme News als „Fake“ abzustempeln. Die Medienwelt hat einen riesigen Einfluss auf alle von uns. „Whoever controls the media controls the mind“- Ein Zitat von Jim Morrison, welches sich auch 51 Jahre nach dem Tod des Songwriters noch anwenden lässt. Eine Gesellschaft, die keine vertrauenswürdige und seriöse Presse hat oder sich dieser gedanklich schlicht entzieht, ist potenziell gefährlich und birgt ein hohes Risiko für humanitäre Krisen. Umso wichtiger ist eine freie, seriöse und transparente Mediengestaltung. Bis Künstliche Intelligenz also Journalisten ablöst, ist hoffentlich noch ein wenig Zeit.

*Journalisten wird in diesem Artikel als geschlechtsneutrale Bezeichnung aller Medienschaffenden benutzt.