Corona infiziert den Verstand

Eine medizinische Fachangestellte berichtet von ihrem Alltag

Die Corona-Pandemie beschäftigt uns nun seit vielen Monaten und hat immer mehr Konsequenzen zur Folge. Besonders im medizinischen Bereich ruft sie große Unsicherheiten hervor. Deshalb stellt sich die Frage, welche genauen Auswirkungen die Pandemie verursacht. Die medizinische Fachangestellte Stephanie Machens erklärte in einem Interview, wie sich der Arbeitsalltag in der Frauenarztpraxis Dr. Anna Volger in Hildesheim gestaltet. Frau Machens ist zuständig für die Anmeldung, die Behandlungsassistenz und die Laborarbeit.

Haben Sie durch den täglichen Menschenkontakt in Ihrem Beruf Angst sich selbst anzustecken?

Ja und es macht mir Sorgen, dass irgendwann wirklich mal jemand in die Praxis kommt, der Symptome hat. Denn das würde zum einen die anderen Patienten, das Personal und meine Chefin gefährden und zum anderen würde der Betrieb dann quasi gänzlich stillliegen und wir müssten den gesamten Patientenstamm an andere Arztpraxen abgeben, um die Versorgung dieser sicherzustellen. Jedoch hoffe ich auf die Vernunft der Patienten, dass sie die Termine absagen, sofern sie Symptome verspüren sollten.

Welche Veränderungen brachte die Pandemie für ihre Arbeit in der Praxis mit sich?

Die anfänglichen Lieferengpässe der Schutzkleidung und des Desinfektionsmittels brachten Schwierigkeiten mit sich, jedoch hat sich das mittlerweile wieder eingespielt. Wir haben klare Schutzmaßnahmen ergriffen, am Eingang der Praxis wird explizit darauf hingewiesen, dass die Praxis nur alleine, ohne Begleitpersonen betreten werden darf. Am Anfang, als viele die Situation noch nicht ernst genug genommen haben, mussten viele Diskussionen mit den Begleitpersonen geführt werden, jedoch müssen die neuen Regelungen freundlich aber bestimmt durchgesetzt werden. Bei Anzeichen von Krankheitssymptomen darf die Praxis nicht betreten werden, jedoch sollten bei gesundem Zustand wichtige Termine, wie Krebsvorsorgen trotzdem wahrgenommen werden. Außerdem haben wir am Eingang einen Desinfektionsmittelspender und an der Anmeldung einen sogenannten Spuckschutz. Die Anzahl der wartenden Patienten im Wartezimmer wurde auf die Hälfte reduziert. Oberflächen wie Türklinken, Stifte und Arbeitsoberflächen werden regelmäßig desinfiziert, um das vorhandene Risiko auf das Minimum zu beschränken. Außerdem wird in dem Anmeldebereich, dem Wartezimmer und im Labor permanent gelüftet und in dem Behandlungsraum alle zwanzig Minuten für fünf Minuten. Die Patienten bringen dafür Verständnis auf, weil sie eben wissen, dass die Pandemie diese Zustände mit sich bringt. Zudem werden eben auch Mundschutze getragen. Dies sind alles Dinge, die wir zusätzlich aufwenden müssen, jedoch sehe ich das nicht als Einschränkung, sondern eher als zusätzlichen Arbeitsaufwand, der den Arbeitsalltag teilweise erschwert.

Hat sich durch die zunehmende Unsicherheit, aufgrund des Virus, Ihr Verhältnis zu den Patienten verändert?

Seit Anfang der Pandemie pflegen die Patienten einen anderen Umgangston, untereinander sowie uns gegenüber. Vorher waren sie eher fordernd, aber jetzt sind alle rücksichtsvoll und haben Verständnis für die Situation. Da sich mittlerweile auch jeder an die Regeln hält, hat sich das Verhältnis ins Positive verändert.

Hat sich die Stimmung innerhalb des Teams verändert?

Die Stimmung hat sich nicht verändert, aber zeitweilig merkt man eine gewisse Art der Erschöpfung, nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Die Situation ist allgemein sehr angespannt, weil sich jeder unterschwellig Sorgen macht. Dazu kommt noch der enorme Arbeitsaufwand, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten.

Momentan gelten Hygiene- und Abstandsregeln, sowie das Tragen einer Maske. Finden Sie die geltenden Corona-Maßnahmen für Arztpraxen angemessen?

Ich kann nur für unsere Arztpraxis sprechen, aber wir haben uns viele Gedanken gemacht und haben die Maßnahmen gut umgesetzt. Wir sind sehr darauf bedacht, diese Regelungen einzuhalten, um größtmöglichen Schutz für uns und unsere Patienten zu gewährleisten und auch den Betrieb aufrecht zu erhalten. Da wir eine Praxis sind, die auf Termin bestellt, aber auch Sprechzeiten für Akutfälle anbietet, stellt es eine Herausforderung dar, die Organisation so zu strukturieren, dass sich so wenig Patienten, wie möglich in der Praxis aufhalten. Deswegen habe ich keine Verbesserungsvorschläge.

Kennen Sie persönlich jemanden, der sich bereits mit dem Virus infiziert hat?

Nein, aber es würde mich ängstigen und beunruhigen, aufgrund der Neuheit des Virus, da es verschiedene Verläufe und Langzeitschäden hervorrufen kann. Zudem betrifft es alle Altersgruppen, egal ob mit oder ohne Vorerkrankungen.

Wie würden sie handeln, wenn ein Patient mit Corona ähnlichen Symptomen die Praxis aufsucht?

Wir würden die Patientin sofort isolieren und auf ihren Fehler hinweisen. Sofern sie nicht akut gefährdet ist, würde sie die Praxis wieder verlassen und wir würden ihr einen neuen Termin anbieten. Anschließend würden wir alle notwendigen Schutzmaßnahmen einleiten, das heißt im Zweifelsfall sogar eine Testung vornehmen.

Was denken Sie persönlich, wie lange uns diese Pandemie noch begleiten wird?

Ich denke, dass uns diese Pandemie noch eine Weile erhalten bleibt, weil das Virus sehr vielseitig zu sein scheint und verschiedene Verläufe, sowie verschiedene Langzeitschäden hervorrufen kann. Außerdem scheint es sehr überlebensfreudig auf Gegenständen zu sein und es vermehrt sich auch schnell. Da es zudem auch noch Teile der Bevölkerung gibt, die das Virus ignorieren oder nicht verstehen, was es für uns Menschen bedeutet, wird es sich wohl erst wieder beruhigen, sobald ein Impfstoff auf den Markt kommt.

Würden Sie sich impfen lassen, wenn dies passiert?

Ja, und bin auch der Meinung, dass man in Erwägung ziehen sollte, in großen Infektphasen, sprich während der Grippezeit, das Tragen von Masken beizubehalten.


Zur Person: Stephanie Machens ist 50 Jahre alt und hat mehrere Jahre als examinierte Krankenschwester in einem Krankenhaus gearbeitet. Seit Januar 2016 arbeitet sie als medizinische Fachangestellte in der Frauenarztpraxis Dr. Anna Volger in Hildesheim.

Text: Lilly S.; Bild: Lilly S.; Interview geführt am: 20.11.2020