Die drei Reichseiniger

  1. Historische Einordung  

Die Sengoku-Periode war eine in Japan von 1467 bis 1615 anhaltende Zeitperiode, in welcher große Armeen von Samurai unter Führung verschiedener Fürsten um die Herrschaft im Land rangen. Übersetzt bedeutet diese so etwas wie „Das Zeitalter der streitenden Reiche“. Der Beginn dieser Periode liegt im stetigen Machtverlust des Ashikaga-Shōgunats, welches zuvor als zentrale Staatsgewalt über Japan herrschte. Als Shōgunat bezeichnet man eine Regierung aus Mitgliedern des Kriegeradels. Mit dem Beginn des Ōnin-Krieg verlor Japan den letzten Rest seiner zentralen Verwaltung. Dies hatte die Spaltung Japans in viele von Daimyō regierten Provinzen, welche häufig Präfekturen genannt werden, zur Folge. Die Daimyō waren Fürsten, welche meist einem Shōgunat unterstellt waren. Jedoch rangen sie in dem mehr als einhundert Jahre langen Zeitraum teilweise unabhängig und teilweise innerhalb von Allianzen um die Macht in Japan. Dabei gingen besonders drei Männer siegreich hervor: Oda Nobunaga, Toyotomi Hideyoshi und Tokugawa Ieyasu. Sie sind als die sogenannten „Drei Helden“ oder „Drei Reichseiniger“ in die Geschichte eingegangen. Anhand dieser drei Persönlichkeiten möchte ich euch diese für Japan historisch bedeutsame und spannende Epoche näherbringen. 

2. Die drei Reichseiniger  

  1.  Oda Nobunaga – 織田 信長 

Oda Nobunaga war der erste der drei Reichseiniger. Er wurde 1534 als Sohn des Daimyō der zentraljapanischen Präfektur Owari geboren. 1551 trat er die Nachfolge seines Vaters an und brachte schnell die Präfektur unter seine Kontrolle. Darüber hinaus erstaunte Nobunaga ganz Japan, als er im selben Jahr eine gewaltige Streitmacht unter Daimyō Imagawa Yoshimoto mit seiner deutlich kleineren Armee besiegen konnte und damit sein taktisches Genie unter Beweis stellte. Seine Adaptivität zeigte sich, indem er als erster Daimyō Einheiten aufstellte, welche primär mit Musketen ausgerüstet waren. Im weiteren Verlauf seiner Regentschaft brachte er als autokratischer Herrscher die profitablen landwirtschaftlichen Flächen seiner Heimatpräfektur sowie die aufstrebende Kaste der Händler unter seine Kontrolle.  

Im Jahr 1562 schloss Nobunaga ein Bündnis mit dem Daimyō der benachbarten Mikawa Präfektur Tokugawa Ieyasu. Daraufhin war es ihm möglich Krieg gegen andere Daimyō zu führen. 1568 konnte er sogar die bedeutsame Stadt Kyōto einnehmen. Diese war seit langer Zeit das Machtzentrum Japans und Aufenthaltsort des Kaisers gewesen. Zudem gelang es ihm, im selben Zeitraum große Teile Zentraljapans zu erobern. Aufgrund dessen war diese Eroberungskampagne von extrem großer Bedeutung. Er setzte zunächst Ashikaga Yoshiaki als neuen Shōgun ein, dieser wurde jedoch nur einige Zeit später im Jahr 1573 von Nobunaga abgesetzt und verbannt. Dies markierte den endgültigen Zerfall des Ashikaga-Shōgunats. Um seine Macht zu festigen und Reformen einfacher durchsetzen zu können, errichtete er eine riesige Festung nahe Kyōto.  

Zu den zahlreichen Reformen, mit welchen Oda Nobunaga viele Teile des damaligen japanischen Staatswesens veränderte, zählten zum Beispiel verschiedene Wirtschaftspolitiken. Nobunaga setzte durch, dass die Straßen, welche zuvor unter der Kontrolle von verschiedenen Gilden standen, in die Hand des Staates gelegt werden. Außerdem erhöhte Nobunaga auch seine Militärpräsenz und sicherte seine Machtposition in der Region, indem er das Hauptquartier der Kampfmönche des Enryaku Tempels zerstörte, welche zuvor als stark beeinflussende Kraft in der Politik bekannt waren.  

Letztendlich wurde Oda Nobunaga im Sommer des Jahres 1582 von Akechi Mitsuhide, einem seiner vertrauten Generäle, überfallen und zum Seppuku, dem rituellen Selbstmord, getrieben. Zu diesem Zeitpunkt hatte Nobunaga bereits ganz Zentraljapan unter seine Kontrolle gebracht und hat dadurch die Grundsteine die zur Vereinigung Japans notwendig waren gebrochen.  

Porträt von Oda Nobunaga.
  1. Toyotomi Hideyoshi – 豊臣 秀吉 

Toyotomi Hideyoshi ist der zweite in der Reihe der drei Reichseiniger. Sein ursprünglicher Name war Toyotomi Hiyoshimaru und er wurde als Sohn eines Bauern geboren. Zunächst diente er dem Daimyo der Tōtōmi Präfektur. Nach nur kurzer Zeit verließ er die Präfektur jedoch und wurde Fußsoldat unter Oda Nobunaga. Bei der Eroberungskampagne Zentraljapans durch Oda Nobunaga kämpfte er in vielen entscheidenden Schlachten und stieg schnell in den Rängen der Armee auf.   

1577 wurde er von Oda Nobunaga beauftragt, die westlichen Daimyō zu unterwerfen. Nachdem Hideyoshi den Daimyō der Bitchū Präfektur besiegt hatte, war er jedoch gezwungen, diesen Feldzug abrupt zu beenden, da zu diesem Zeitpunkt Nobunaga zum Selbstmord getrieben wurde. Er handelte einen Friedensvertrag mit dem westlichen Daimyō aus und eilte nach Osten, um Akechi Mitsuhide, den General, der Nobunaga verraten hatte, zu besiegen. Nachdem es ihm gelungen war, Mitsuhide zu besiegen, entbrannte ein Streit zwischen Hideyoshi und einigen anderen ehemaligen Vasallen Nobunagas, wer der Nachfolger Oda Nobunagas werden sollte.   

Als dieser Konflikt beigelegt war und Hideyoshi den Rest des Reiches befriedet hatte, machte er sich auf, um das Erbe Nobunagas fortzuführen und ganz Japan zu einen. Zunächst zog er gegen den mächtigen Daimyō Tokugawa Ieyasu in die Schlacht. Dabei waren jedoch nur mehrere unentschiedene Scharmützel das Resultat. Aufgrund dessen schmiedeten die beiden ein Bündnis. 1585 wurde Toyotomi Hideyoshi zunächst zum Kanzler des Kaisers und kurz darauf zum höchsten Minister ernannt. Außerdem erhielt er zu dieser Zeit auch den Familiennamen Toyotomi vom Kaiser überreicht. Danach machte sich Toyotomi Hideyoshi erneut auf, um den Daimyo Mōri Terumoto, mit welchem er nach Oda Nobunagas Tod einen Friedensvertrag ausgehandelt hatte, nun endgültig zu besiegen. Teilweise mit der Hilfe von Tokugawa Ieyasu eroberte er im weiteren Verlauf seiner Eroberungskampagne die Inseln Shikoku und Kyushu und konnte somit ganz Westjapan unter seine Kontrolle bringen. Im Jahr 1590 unterwarf er schließlich die letzten Regionen Ostjapans und war somit der Anführer einer Allianz aus Daimyō, welche ganz Japan kontrollierten. 

Nach seiner Machtübernahme führte er selbst, wie Oda Nobunaga vor ihm, viele Reformen durch. Er setzte zum Beispiel ein Gesetz durch, welches das Tragen von Waffen deutlich einschränkte. Des Weiteren führte er eine Kampagne zur Verringerung der Anzahl von Burgen in Japan an und zementierte das gesellschaftliche Klassensystem. 

Um den Machterhalt auch nach seinem Tod sicherzustellen, ernannte er seinen Neffen zu seinem Nachfolger. Nachdem er glaubte, den Machterhalt auch nach seinem Tod erreicht zu haben, befahl er zwei Invasionen der koreanischen Halbinsel, welche beide trotz anfänglicher Erfolge fehlschlugen.  

Im Jahre 1598 starb Toyotomi Hideyoshi schließlich. Das Beeindruckende an seinen Erfolgen liegt vor allem in den Anfängen. Er schaffte es, durch seine großartigen Fähigkeiten auf dem Schlachtfeld von einem Fußsoldaten zum wahrscheinlich erfolgreichsten General des mächtigsten Daimyō seiner Zeit aufzusteigen. Zusätzlich wurde er nach dessen Tod sein Nachfolger und vollendete auch noch das Werk seines ehemaligen Herren. Dadurch wurde er schlussendlich Herrscher über ganz Japan. Somit kann man sagen, dass Toyotomi Hideyoshi die von Oda Nobunaga abgeschlagenen Steine zur Vereinigung Japans weiter bearbeitete. 

Porträt von Toyotomi Hideyoshi
  1. Tokugawa Ieyasu – 徳川 家康 

Tokugawa Ieyasu ist der dritte und letzte der drei Reichseiniger. Ich erwähnte ihn bereits häufig in diesem Artikel als Daimyō der Mikawa-Präfektur. In den ersten Jahren seines Lebens ging es sehr turbulent zu. Er wurde in eine Kriegerfamilie geboren und sein Vater war oft auf dem Schlachtfeld. Die Militärberater seines Vaters überzeugten diesen, Ieyasu als Geisel an den mächtigen benachbarten Imagwa Clan zu übergeben. Dies erzürnte jedoch den ebenfalls benachbarten Oda Clan und so wurde der sehr junge Ieyasu zwei Jahre lang von den Mitgliedern des Oda Clans festgehalten. Nach diesen zwei Jahren wurde er schlussendlich doch an den Imagawa Clan ausgeliefert, wo sein Leben zunächst deutlich ruhiger wurde und er eine militärische Ausbildung durchlief. Zudem führte er Truppen unter Daimyō Imagawa Yoshimoto an. 

Als im Jahre 1560 Imagawa Yoshimoto in der Schlacht von Okehazama von den Truppen des jungen Oda Nobunaga getötet worden war und sein Vater schon frühzeitig während seiner Abwesenheit ermordet wurde, entschloss sich Ieyasu dazu, in seine Heimatpräfektur zurückzukehren und die Kontrolle über sein Familienanwesen sowie dessen Vasallen zu übernehmen. 

Es gelang ihm schnell die Kontrolle über seinen Anspruch durchzusetzen und Allianzen mit dem benachbarten Oda und Imagawa Clan zu schließen. Dadurch konnte er seine gesamte Energie in die Verbesserung des Militärs und der Wirtschaft seines kleinen Reiches stecken. 

In den späten 1560er Jahren löste sich der Imagawa Clan schließlich auf und Ieyasu nutze diese Gelegenheit zur Expansion seiner Domäne. Aufgrund seiner Allianz mit dem nun sehr mächtigen Oda Nobunaga und seines organisatorischen Könnens war es ihm selbst möglich, zu einem wichtigen Daimyō aufzusteigen. 

Als Oda Nobunaga 1582 gestorben war und Toyotomi Hideyoshi dessen Platz einnahm, brachen zunächst kleine Scharmützel zwischen Ieyasu und Hideyoshi aus, welche jedoch, wie wir schon wissen, keinen klarer Sieger hervorbrachten. Während sich Hideyoshi darum kümmerte, den Westen Japans unter seine Kontrolle zu bringen, schaffte es Ieyasu, seine wirtschaftliche sowie militärische Macht weiter auszubauen. 

1589 unterwarf er zusammen mit Toyotomi Hideyoshi den Hōjō Clan im Osten Japans. Nachdem er dies vollbracht hatte, tauschte er seine Küstenprovinzen gegen die des Hōjō Clans aus und brachte in sehr kurzer Zeit eine große Menge militärische Ausrüstung und zivile Güter in die Nähe des kleinen Fischerdorfes Edo, welches einige Jahrhunderte später die blühende Metropole Tokyo werden sollte. 

In den späten 1590er Jahren verbrachte Tokugawa seine Zeit damit seine Vasallen zu kontrollieren und seine Präfektur durch verschiedene Staatsreformen zur produktivsten und sichersten in ganz Japan zu machen. Als nun Toyotomi Hideyoshi den Tod fand, war Ieyasu der Anführer der am besten organisierten Armee und der stabilsten Präfektur Japans. Durch Hideyoshis Tod entbrannte nun erneut ein Kampf um die Macht im Land, bei welchem sich zwei große Allianzen aus Daimyō bildeten. Aufgrund dieses Machtkampfes fand die wahrscheinlich entscheidendste Schlacht in der gesamten Sengoku-Periode zwischen den Streitkräften der Allianz von Tokugawa Ieyasu und der Allianz seines Rivalen Ishida Mitsunari im Jahre 1600 statt. Als die von Ieyasu angeführte Allianz des Ostens auf die von Ishida Mitsunari angeführte Allianz des Westens in der Schlacht von Sekigahara aufeinandertrafen ging Tokugawa Ieyasu als siegreich hervor und war somit der unumstrittene Herrscher Japans. Um seine Macht zu festigen führte er wie schon vorher viele administrative Reformen durch. 

Schlussendlich wurde Ieyasu im Jahre 1603 vom kaiserlichen Hof zum Shogun und somit offiziell zum mächtigsten Daimyō Japans erklärt und erhielt die Erlaubnis, das Land im Namen des Kaisers zu regieren. Gerade einmal zwei Jahre später dankte Ieyasu ab und machte seinen Sohn zum nächsten Shogun. Aber auch nach seiner Abdankung als Shōgun arbeitete er weiter, um seine Machtposition und die seines Tokugawa-Shōgunats sicherzustellen. Er verfolgte zudem christliche Geistige und deren Anhänger, bis der christliche Glaube in Japan beinahe ausgelöscht wurde. Währenddessen baute er seine Domäne in Edo über mehrere Jahre kontinuierlich aus. Als Tokugawa Ieyasu im Jahre 1616 starb, war er der Herr der größten Burg Japans und hinterließ das ehemalige kleine Fischerdorf Edo als große Stadt voller Händler, Handwerker und Künstler sowie einem großen Hafen. Schlussendlich hat Tokugawa Ieyasu nach fast 150 Jahren kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen den Feudalherren, Japan langhaltenden Frieden und Einheit gebracht. Somit hat er die von Oda Nobunaga gebrochenen und von Toyotomi Hideyoshi bearbeiteten Steine zur Einigung Japans zusammengefügt und befestigt. 

Porträt von Tokugawa Ieyasu. 
  1. Das Ende der Sengoku Periode 

Die Gründung des Tokugawa-Shōgunats markiert das Ende der Sengoku-Periode, welche anschließend von der 1603 eingeläuteten Edo-Periode abgelöst wurde. In dieser Zeit erlebte Japan keinen größeren internen Konflikte mehr und es begann eine Zeit der landesweiten Isolation.