Das Chauvin-Urteil: Ein Schritt in die richtige Richtung

Der Mord an dem Afroamerikaner Georg Floyd am 25. Mai 2020, im US-Bundesstaat „Minnesota“, entfachte ein regelrechtes Feuerwerk an Protesten gegen Rassismus und die anhaltende Polizeigewalt gegen Afroamerikaner in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Beim „Black Lives Matter“ Protest in Washington im Juni 2020

Das Urteil

Nun wurde der Ex-Polizist Derek Chauvin, welcher knapp neuneinhalb Minuten auf dem Hals des Verstorbenen kniete, nach seiner Anklage für „unvorsätzlichen Mord 2. und 3. Grades und Todschlags 2. Grades“ schuldig gesprochen. Laut Johanna Soll von der Frankfurter Rundschau werde nach deutschem Strafrecht, Chauvin kein Mord vorgeworfen. Stattdessen wären die drei Anklagepunkte Körperverletzung mit Todesfolge, Totschlag mit bedingtem Vorsatz und fahrlässige Tötung. Dies wirkt in Anbetracht der Sachlage amüsant. Schließlich kniete Derek Chauvin über 9 Minuten auf dem Hals von Georg Floyd. 

Die Generalstaatsanwältin von Minnesota, Keith Ellison, konnte zusammen mit ihrem Team von Staatsanwälten Derek Chauvins Mord an Georg Floyd nachweisen. Sie behauptet das Urteil sorge nicht für Gerechtigkeit, jedoch werde Rechenschaft abgelegt.

Dem Verurteilten drohte eine Haftstrafe von bis zu 40 Jahren, welche das Höchstmaß für „Mord 2. Grades“ dargestellt hätte. Ursprünglich wurde mit einer Mindesthaftstrafe von 12,5 Jahren gerechnet unter der Berücksichtigung von Derek Chauvins nicht vorhandener Vorstrafen. 

Es stellt sich aber auch die Frage, was die Strafen für die restlichen Anklagepunkte anbelangt. Ein genauerer Blick verrät, dass im US-Bundesstaat Minnesota nur für die schwerwiegendste Tat eine Strafe ausgesprochen wird. Im Fall von Chauvin ist dies, wie bereits erwähnt, Mord 2. Grades. Somit fielen jegliche zusätzliche Haftstrafen für das Schuldurteil in den weiteren Anklagepunkten weg. Am 25. Juni 2021 wurde Derek Chauvin schließlich zu einer Haftstrafe von 22,5 Jahren verurteilt, so Ray Sanchez und Eric Levenson vom US-amerikanischen Nachrichtensender CNN. 

Gerichtssaal einer juristischen Fakultät

Auswirkungen des Urteils

Jetzt bleibt natürlich die Frage, was dieses Urteil für die afroamerikanische Bevölkerung in den Vereinigten Staaten und im Rest der Welt bedeutet. Trotz des brutalen und offenkundig menschenverachtenden Umgangs mit Georg Floyd, dessen Tod in einem Video festgehalten wurde, in dem er 27-mal sagt er könne nicht atmen, bleibt dem Täter die Höchststrafe erspart. Trotz der hohen Haftstrafe ist das Urteil möglicherweise eine tiefsitzende Enttäuschung für die afro-amerikanische Bevölkerung in den Vereinigten Staaten. Schließlich sprechen wir nicht von einem Einzelfall. Polizeigewalt gegen Afro-Amerikaner ist alltäglich in den USA.

Dieses einzelne Urteil wird keine Veränderungen an dem von Grund auf rassistisch motivierten Handeln einiger Polizisten hervorrufen. Es sorgt aber für ein verstärktes Nachdenken, bevor vielleicht eine fatale Entscheidung getroffen wird. Zusätzlich verhindert dieser Schuldspruch eine weitere Polarisierung der Afroamerikaner, was eine mögliche Eskalation des anhaltenden Rassenkonfliktes mit einbindet. Man könnte dieses Urteil als vorübergehendes Trostpflaster bezeichnen, denn es wird nicht ausreichen, um dauerhaft eine Veränderung ins Rollen zu bringen. Dazu braucht es deutlich mehr als nur das. 

Des Weiteren wird das Urteil keinen Einfluss auf die Angst vieler farbiger US-Bürger haben, wenn sie einen Streifenwagen sehen. Das Ziel muss es sein, diese Angst aus ihren Köpfen zu bekommen, um die Entstehung von kritischen Auseinandersetzung zwischen Afroamerikanern und Polizisten zu verhindern. Die Verurteilung eines einzelnen Polizisten, der aus rassistischen Gründen Mord begangen hat, reicht dabei nicht aus. 

Außerdem richtet sich das Chauvin-Urteil nicht gegen die Polizei an sich. Es mag zwar einen großen Teil der Polizisten und Bevölkerung zu stärkerem Nachdenken anregen und bei einigen auch Verhaltensänderungen hervorrufen, aber es verhindert nicht vollständig weitere Verbrechen mit rassistischen Hintergründen. Dazu braucht es härtere Maßnahmen, so wie beispielsweise mehr Urteile mit noch längeren und weitreichenderen (Haft-) Strafen. Der Staat muss kooperierend mit all seinen Bundesstaaten aktiv gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Afroamerikaner vorgehen. 

Trotz all dem ist das Urteil gegen Derek Chauvin ein Schritt in die richtige Richtung gegen Polizeigewalt und ganz besonders gegen Rassismus. Auch wenn mehr Urteile wie dieses nötig sind, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken, geht man einen wichtigen Weg, welcher schlussendlich zum übergeordneten Ziel, einer Welt ohne Rassismus führen, kann. 

Blick auf das Weiße Haus in Washington, D.C.

US-Präsident Joe Biden zeigte sich erleichtert über das Urteil und versprach weiter gegen Rassismus vorzugehen. Lässt sich somit von einem weiteren Lichtblick für die afroamerikanische Bevölkerung sprechen?  

Text: Timo V., Bild 1: Clay Banks on Unsplash, Bild 2: David Veksler on Unsplash, Bild 3: René DeAnda on Unsplash