Extremtourismus – das Geschäft mit den Menschenleben
Es ging durch die Medien, löste Entsetzen und Unverständnis aus – das U-Boot, welches auf dem Weg zur Titanic den Kontakt zur Steuerung verlor und implodierte. Seine fünf Insassen bezahlten mit ihren Leben. Was zunächst wie ein bizarrer Einzelfall klingt, ist bei genauerem Betrachten jedoch Teil eines absurden Trends.
Immer mehr Milliardäre ziehen extravagante Urlaube und extreme Nervenkitzel Strand und Bergen vor. Dazu zählen etwa private Flüge ins Weltall oder, wie zuletzt, U-Boot-Touren zum Wrack der Titanic. Das dies nicht ganz ungefährlich sein kann, liegt auf der Hand. Doch was bewegt Menschen dazu, ihr Leben für eine einzige Reise aufs Spiel zu setzen?
„95% of the earths oceans are unexplored. You can change that“, so lautet der optimistische Werbeslogan von „Oceangate expeditions“. Ein Blick auf die Website ( https://oceangateexpeditions.com/ ) des Touristenunternehmens verspricht vor allen Dingen eines: Eine abenteuerliche Reise zu dem Wrack der gesunkenen Titanic, die nur etwas für „wahre Entdecker“ sei. Der Preis für dieses Erlebnis: 250.000 US-Dollar pro Person. Kein Wunder also, dass sich die meisten bekannten Teilnehmer dieser Expeditionen auch auf der Liste der reichsten Personen weltweit wiederfinden. Die implodierte „Titan“ war ebenfalls ein U-Boot dieses Unternehmens. Nach dem Unglück wurden medial jedoch scharfe Kritikerstimmen laut. Die „Titan“ sei weder geprüft, noch lizenziert gewesen. Des Weiteren wird dem Chef von „Oceangate expiditions“ unterstellt, einige Warnungen von Experten bezüglich der Sicherheit des U-Boots ignoriert zu haben. So berichtete der „Merkur“ am 22.6.2023.
Doch nicht nur in die Tiefe des Meeres zieht es Touristen. Der Trend der extravaganten Reisen scheint mittlerweile auch Personen zu beeinflussen, die keine Milliarden auf dem Konto haben. So ebenfalls den britischen Youtuber „Lord Miles“, welcher sich selbst als „Extremtourist“ bezeichnet. Nach seinen Besuchen an der ukrainischen Kriegsfront und der extrem gefährlichen Schlangeninsel in Brasilien zog es den Contentcreater zum wiederholten Male nach Afghanistan. Dort posierte er Seite an Seite mit einigen Taliban, nahm laut eigener Aussage an Schussübungen mit der Terrorgruppe teil. Das letzte Lebenszeichen des 23-Jährigen gab es Ende März, indem er äußerte, vom afghanischen Sicherheitsdienst festgehalten zu werden. Seit dem herrscht Funkstille um den Briten, sein Aufenthaltsort und Zustand sind unklar.
Mit öffentlichen Statements wie diesen verharmlost der Youtuber nicht nur Krieg und Leiden, sondern auch seine extrem gewagten Reisen. Da sich unter seinen tausenden von Online-Followern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch beeinflussbare Kinder befinden, sind derartige Aussagen mehr als problematisch.
Grundsätzlich muss jede*r selbst wissen, wie viel Wert das eigene Leben gegenüber einer abenteuerlichen Reise ist. Zudem spiegelt der Trend des „Extremtourismus“ deutlich den Verlust zur Realität und die Unzufriedenheit mit „einfachen Dingen“ als Ergebnis unserer Konsumgesellschaft wider. Immer mehr extrem reiche Menschen scheinen sich mit ihren außergewöhnlichen Reisen übertrumpfen zu wollen. Dennoch besitzen Touristenunternehmen eine gewisse Verantwortung, die Sicherheit ihrer Kunden zu gewährleisten. Dies sollte grundsätzlich an erster Stelle stehen und nicht aufgrund möglichen Profits zurückgestellt werden. Sollte „Oceangate expeditions“ also trotz aller Warnungen und potenzieller Sicherheitsrisiken die „Titan“ mitsamt Touristen auf Expedition losgelassen haben, ist dies ganz klar ein Versäumnis seitens des Unternehmens. Dennoch sollten sich öffentliche Vorbilder und „Extremtouristen“ wie „Lord Miles“ ihrer Reichweite und der daraus resultierenden Verantwortung stärker bewusst sein. Des Weiteren lässt sich nur hoffen, dass der „Extremtourismus“ kein noch ausgeprägterer Trend wird, dem in Zukunft weitere Menschenleben zum Opfer fallen.