Studieren während Corona
Wie ist das in einem fremden Land?
Sie entschied sich für ein Auslandsstudium in Paris trotz der weltweiten COVID-19-Pandemie. Wie beeinflussen nun Online-Unterricht, Reiseverbote und Kontaktbeschränkungen den Alltag der Studentin, so weit von zu Hause entfernt? Laura Ahlborn berichtet.
F.: Du hast Dein Masterstudium ja im vergangenen Herbst begonnen. Wieso bist Du bei dem Entschluss für das Auslandsstudium geblieben, obwohl Komplikationen durch die Pandemie sehr wahrscheinlich waren?
A.: Es war von Anfang an klar, dass das Semester in irgendeiner Art und Weise stattfinden wird. Wie genau, das war zwar nicht klar, aber ich wusste, dass alle Masterstudiengänge, egal in welchem Land, davon betroffen sein werden.
F.: Nun hast Du ja bereits den Bachelor hinter Dir. Welche Vor- und Nachteile fallen auf, wenn Du die jetzigen, coronabedingten Lernmethoden mit denen damals vergleichst?
A.: Ein Vorteil ist tatsächlich die Möglichkeit, dass man den Vorlesungen auch online folgen kann. Das war für mich ein Zugewinn, als mein Opa gestorben ist. Ich konnte, obwohl wir Anwesenheitspflicht hatten, den Vorlesungen online folgen, als ich nach Hause gefahren bin. Einmal ist es aber der soziale Faktor, der dann stark eingeschränkt ist, und dann auch der Lernfaktor. Ich habe die Erfahrung gemacht, wie wichtig es ist, dass man mit anderen zusammen lernt und auch von ihnen lernt.
F.: Ich kann mir vorstellen, dass derartige Einsamkeit im Studium einen bezüglich der Selbstorganisation und des sozialen Anschlusses stark unter Druck setzt. Wie würdest Du das beurteilen?
A.: Ich stelle es mir sehr schwierig vor, wenn man gerade erst anfängt zu studieren. Diese Selbstorganisation ist schon so ein bisschen gegeben, wenn man vorher schon studiert hat. Wenn man diesen Lernfaktor noch nicht hatte, kann sich das natürlich negativ auswirken. Bei dem sozialen Aspekt, den Du angesprochen hattest, da liegt ein kleiner Vorteil in unserem Jahrgang, dass der so klein ist. Dadurch hatten wir am Anfang auch wirklich alle Fächer zusammen. Das heißt, wir konnten uns kennenlernen und man hat auch schon Freundschaften geknüpft. Ich glaube, wenn das nicht gewesen wäre, dann wäre man schon sehr isoliert gewesen, denn dann ist die Hemmschwelle natürlich höher, sich zu Online-Meetings zu verabreden.
Bei mir im Wohnheim gelten auch strenge Vorgaben. So habe ich nur noch Zugang zu meinem eigenen Flur und muss im gesamten Wohnraum eine Maske tragen, abgesehen von meinem eigenen Zimmer. Wir sollen auch nur zu dritt gleichzeitig in der Küche sein, es vermeiden dort zu essen und dafür möglichst in unser eigenes Zimmer gehen. Allgemein sind Treffen nicht unbedingt möglich. Wir hier auf meinem Flur kennen uns zwar mittlerweile gut und machen auch auch ab und an etwas zusammen, aber die anderen Leute im Wohnheim kann man nicht treffen. Dadurch fehlt dieser Austausch.
F.: Du hattest vorhin den kürzlichen Tod Deines Großvaters angesprochen – an der Stelle mein herzliches Beileid. Wie ist es, angesichts der zahlreichen Reiseverbote zu wissen, dass man in der Not nicht einfach in die Heimat zur Familie zurückkehren kann?
A.: Das ist wirklich ein schreckliches Gefühl und auch ein Gefühl, was man so gar nicht kennt, weil diese Reisefreiheit, die man auch vor allem als EU-Bürger hat, immer so selbstverständlich ist. Auf einmal merkt man dann, dass es auch seine Grenzen haben kann.
F.: Welche Bedenken hattest Du, nach Hause zu fahren?
A.: Es war nicht einfach, die Entscheidung zu treffen: Gehe ich das Risiko ein und komme ich nach Hause, oder sollte ich es lieber lassen? Für mich war aber auch ein großer Faktor, dass man natürlich auch Angst hat, dass man vielleicht das Virus mitbringen und jemanden anstecken könnte von seiner Familie oder seinen Freunden. Ich war nicht sicher, wenn ich einen negativen Test gehabt hätte, ob ich dann trotzdem noch in Quarantäne hätte gehen müssen, und ob ich es dann überhaupt noch geschafft hätte zur Beerdigung.
F.: Die Lage der Infektionszahlen ist in Frankreich ja deutlich höher als in Deutschland – zeitweise gab es fast 80.000 neue Fälle pro Tag. Wie gehen die Menschen dort mit der Pandemie um im Vergleich zu Deutschland?
A.: Die Leute sind gefühlt entspannter damit umgegangen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass diese Abstandsregeln so spezifisch eingehalten wurden. Im Spätsommer haben viele noch dicht gedrängt in Bars gesessen und es haben noch, natürlich im kleinen Rahmen, Veranstaltungen stattgefunden. Ich war ganz erstaunt, dass es noch Konzerte gab. Wo es aber wirklich streng implementiert wurde, sich an diese Vorgaben zu halten, ist bei uns an der Uni.
F.: Frankreich hat ja auch besonders starke Maßnahmen und Ausgangssperren beschlossen. Worauf freust Du Dich am meisten, sobald sich die Corona-Lage wieder entspannt?
A.: Ein großer Punkt ist: Ohne Maske spazieren gehen und die frische Luft einatmen. Ich glaube, dass ein bisschen so eine Leichtigkeit und Bewegungsfreiheit durch Corona verloren gegangen ist und darauf freue ich mich.
Zur Person: Laura Ahlborn, 24 Jahre jung, hat nach dem Abitur einen Bachelorstudiengang der Pol. Ökonomie und Politikwissenschaft in Heidelberg absolviert. Seit August diesen Jahres studiert sie für ihren Master in Paris, wo sie sich bereits während ihres Bachelors für ein Auslandsemester aufgehalten hat.
Text: Mathilda A. ; Beitragsbild: unsplash ; Interview geführt am: 21. November 2020