Schule der Zukunft
Sitzt du manchmal im Unterricht und fragst dich: Warum zum Teufel muss ich das jetzt lernen? Bei manchen Themen mag die Frage berechtigt sein, bei anderen nicht. Problematischer Weise ist diese Frage immer öfter berechtigt. Denn während sich unser alltägliches Leben durch neue Technologien, neue Erkenntnisse und mehr verfügbares Wissen rasant wandelt, schleicht unser Bildungssystem nur langsam hinterher.
Unsere Schulen brauchen einen radikalen Wandel. Dabei geht es nicht nur um Digitalisierung, sondern auch um Gerechtigkeit und eine angemessene Vorbereitung auf das spätere Berufsleben.
Was wir lernen sollten
In Zukunft werden sich die Anforderungen, welche die Arbeitswelt und das alltägliche Leben an uns stellen, immer stärker wandeln. Die Autoren Bernie Trilling und Charles Fadel stellen in ihrem 2012 veröffentlichten Sachbuch „21st Century Skills: Learning for Life in our times“ heraus, dass Fähigkeiten, Wissen und Charaktereigenschaften vermittelt werden müssen, um die neuen Anforderungen zu erfüllen.
Außerdem ist es wichtig, den Schülern beizubringen, wie sie sich ihr ganzes Leben lang neue Fähigkeiten und neues Wissen aneignen sowie sich charakterlich weiterentwickeln können.
Zu den Fähigkeiten gehören kritisches Denken, kreatives Problemlösen, Kollaboration und Empathie.
Kritisches Denken: In Zeiten von Social Media und Onlinenachrichten gibt es immer mehr Informationen, die auf uns einprasseln. Dabei ist es meist nicht offensichtlich, ob eine Nachricht wahr oder falsch ist. Schüler müssen lernen, wie Nachrichten analysiert und in den größeren Kontext eingeordnet werden können. Dazu zählt zum Beispiel das Überprüfen von Quellen.
Kreatives Problemlösen: Die Menschheit steht vor immer neuen Herausforderungen, wie z.B. dem Klimawandel. Dafür brauchen wir bahnbrechende Ideen und Erfindungen, die uns nach vorne bringen. Kreatives Problemlösen kann auf schwierige Fragen Antworten bieten. Zum Beispiel darauf, wie wir als Menschheit weniger C02 ausstoßen können, ohne auf Komfort zu verzichten, oder wie mehr soziale Gerechtigkeit erzielt werden kann. Gelehrt werden können dabei Methoden wie „Design Thinking“, welche helfen Probleme zu lösen.
Kollaboration: Sogar die besten Experten können nur wenig erreichen, wenn sie alleine arbeiten. Deshalb ist es wichtig zu lehren, wie wir optimal mit anderen Menschen zusammenarbeiten können.
Beim Wissen geht es darum, eine möglichst breite Basis an Grundlagen zu vermitteln.
Zunächst ist der MINT-Bereich von großer Bedeutung, da dieser Grundlage für das Verständnis von Technologie, Computern und naturwissenschaftlichen Zusammenhängen ist. Da wir in unserer globalisierten Welt immer mehr mit Menschen aus anderen Ländern zu tun haben, ist es auch essentiell Fremdsprachen zu beherrschen. Dazu zählt natürlich Englisch, aber auch Spanisch oder Französisch sprechen zu können, ist hilfreich. Um das politisches System, in dem wir leben, verstehen zu können, ist außerdem eine politische Bildung wichtig. Des Weiteren ist es notwendig, Texte verstehen und schreiben zu können. Das Fach Deutsch lehrt dies. Ergänzend zeigt das Fach Geschichte auf, wie sich die Menschheit entwickelt hat. Außerdem sind weitere Wahlfächer, wie z.B. Psychologie, denkbar.
Abschließend gibt es Charaktereigenschaften, die für das Erreichen von Zielen und das Arbeiten in Teams essentiell sind und deshalb von den Schülern entwickelt werden müssen. Dazu zählen unter anderem Zielstrebigkeit, Durchhaltevermögen und Teamfähigkeit.
Wie wir lernen sollten
Nachdem klar ist, was gelernt werden sollte, ist natürlich wichtig, wie die Inhalte gelehrt werden. Hier scheint eine Kombination aus Lernsoftware und Projekten sinnvoll zu sein, wobei Lehrer die Rolle von Mentoren einnehmen.
Eine Lernsoftware kann eingesetzt werden, um theoretisches Wissen zu vermitteln. Dabei gibt es einige Vorteile gegenüber klassischem Unterricht. Zum einen kann Wissen in unterschiedlichsten Formen vermittelt werden. Ob in Form von Videos, als Text, Animation oder interaktiver Inhalte, alles ist möglich. Das System ist so besser auf die Individualität der Schüler zugeschnitten.
Außerdem kann sich die Lernsoftware individuell dem Fortschritt der Schüler anpassen. Dies geschieht, indem sie Wissen vermittelt und dann testet, wie viel ein Schüler verstanden hat. Je nach Wissensstand werden dann Themen wiederholt oder weiter vertieft. Auch kann eine gute Lernsoftware sehr genau die Probleme der Schüler analysieren und lösen. Auch ist denkbar, dass herausgefunden wird, wie ein Schüler am besten lernt.
Solch Lernsoftware würde es ermöglichen, Schüler unterschiedlichster Leistungsstärken im gleichen Klassenraum zu unterrichten. So ließe sich die Aufteilung unseres Bildungssystem in Hauptschule, Realschule und Gymnasium aufheben, wodurch sich Ungerechtigkeit verhindern lässt.
Des Weiteren wird den Lehrern die Aufgabe abgenommen, Jahr für Jahr neuen Schülern annähernd dasselbe zu erzählen. Dafür bleibt mehr Zeit für eine individuelle Betreuung der Kinder. Lehrer können so viel stärker bei Problemen helfen und für die Schüler da sein.
Das theoretische Wissen kann in Praxisprojekten angewandt und vertieft werden. Schüler können dort in Gruppen oder alleine z.B. Experimente durchführen, journalistische Beiträge verfassen, Roboter programmieren und eigene Ideen verwirklichen. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Praxisprojekte könnten auch mit Unternehmen zusammen umgesetzt werden, wodurch die Schüler einen Einblick in unterschiedlichste Berufe erlangen.
Das solche Projekte funktionieren können, beweist das finnische Bildungssystem. In Finnland werden die Schulfächer mit sogenannten „Phänomenen“ ergänzt. Beispielsweise kann der Klimawandel nicht nur aus politsicher Sicht betrachtet werden, sondern es lassen sich auch physikalische Abläufe erläutern.
Solche Projekte helfen nicht nur dabei, theoretisches Wissen in der Praxis anzuwenden. Es wird außerdem die Teamfähigkeit der Schüler gestärkt, denn in Gruppenarbeiten lernen die Schüler, wie das Zusammenarbeiten am besten funktioniert.
Zusätzlich stärken Praxisprojekte auch die Selbstständigkeit und intrinsische Motivation der Schüler. Ursächlich ist zum einen die eigene Verantwortung, welche jeder Schüler für die Durchführung eines Projekts trägt. Zum anderen sind die Schüler bei der Wahl eines Projekts viel freier, wodurch sie sich stärker mit Themen beschäftigen können, die tatsächlich im eigenen Interessensbereich liegen.
Wie schon angerissen, spielen Lehrer weiterhin eine große Rolle. Lediglich der Aufgabenbereich ändert sich. Es wird weniger gefordert, repetitiven Frontalunterricht zu halten, sondern mehr die Stärken eines persönlichen Betreuers auszuspielen. Lehrer können die Schüler dabei unterstützen, Probleme zu lösen. Auch für außerschulische Herausforderungen, welche sich auf die schulische Leistung auswirken, bleibt so mehr Zeit. Das Motto lautet: „Lehrer werden Mentoren“.
Gleichzeitig sind die Lehrer weiterhin für den Ablauf des Unterrichts zuständig. Sie leiten Theorie- und Praxisphasen ein, und sorgen dafür, dass alles nach Plan läuft.
Was es sonst noch zu sagen gibt
Bildungsföderalismus: Es erfordert viel Arbeit, unser Bildungssystem so stark umzukrempeln. Deshalb ist eine Abschaffung des Bildungsföderalismus‘ sinnvoll, da dieser für einen deutlichen Mehraufwand sorgt.
Benotung: Eine klassische Benotung spiegelt schon lange nicht mehr die Leistung der Schüler wider. Setzt man die eben angeführten Ideen in Schule um, dann ist eine stärker diversifizierte Bewertung denkbar.
Ein wesentlicher Faktor für eine solche Veränderung stellt der Fortschritt in der Lernsoftware dar. Das Programm kann sehr genau analysieren, wie gut ein Schüler den Lernstoff verstanden hat und eine entsprechende Note vergeben.
Darüber hinaus wird die Mitarbeit in den Praxisphasen von Lehrern bewertet. Dabei zählt nicht nur das fachliche Wissen, sondern auch, wie gut das Zusammenarbeiten mit den Mitschülern funktioniert. Ist ein Schüler beispielsweise ein guter Koordinator oder kann er anderen helfen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen?
Ungerechtigkeit: Unser Bildungssystem ist ungerecht. Dies wird durch eine OECD-Studie von 2018 belegt. Dort wurden klare Zusammenhänge zwischen dem sozioökonomischen Status der Eltern und der Leistung von Schülern gemessen. Diesem Problem soll zum einen durch die individuelle Lernsoftware sowie die Aufhebung der Aufteilung der Schüler auf Haupt-, Realschule und Gymnasium, zum anderen mit einer stärkeren Betreuung der Schüler durch die Lehrer entgegengewirkt werden.
Das ist aber noch nicht genug. Es muss kostenlose Nachhilfeangebote für alle Schüler geben. Nicht jeder hat zu Hause ein angemessenes Lernumfeld, nicht für jeden bleibt im normalen Unterricht genug Zeit.